Bei der Fahrt mit dem Transferboot spielten sich dramatische Szenen ab. Das Boot legte ab, obwohl eine Sturmwarnung vorlag und obwohl das Transferschiff schon auf dem Hinweg in ein Unwetter geraten war und der Rückflug deshalb nicht mehr rechtzeitig erreicht werden konnte. Das Transferschiff geriet in ein Unwetter und bekam Schlagseite, es schlugen große Wellen über das Boot, das gesamte Gepäck wurde durchnässt. Alle Schiffsmotoren fielen aus und das Schiff trieb manövrierunfähig im Meer. Die Passagiere sollten Schwimmwesten anlegen. Der Kapitän setzte einen Notruf ab, nachdem die Motoren zwar kurz wieder in Gang gebracht werden konnten, dann aber erneut ausfielen. Der Kläger und seine Ehefrau litten Todesangst. Auch das Navigationssystem war ausgefallen, so dass die Crew versuchte, andere Schiffe mit Taschenlampen auf sich aufmerksam zu machen. Als sich schließlich ein Boot der Küstenwache näherte, krachte dieses gegen das Transferschiff. Es kam erneut zu Panik unter den Fahrgästen des Transferbootes. Erst nach einem erneuten Notruf konnte ein Schiff der Marine das havarierte Boot an Land schleppen.
Der Ehemann klagte und verlangte die Rückzahlung des gesamten Reisepreises und ein Schmerzensgeld für sich und seine Frau, die als Folge der traumatischen Überfahrt eine posttraumatische Belastungsstörung erlitten hatte. Der Reiseveranstalter wollte nichts bezahlen, er berief sich auf höhere Gewalt.
Das Landgericht Köln sprach dem Ehepaar eine Reisepreisminderung in Höhe von ca. 4500 Euro (das entspricht dem ursprünglich bezahlten Reisepreis) und Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 6000 Euro zu.
Der Reiseveranstalter habe das Ehepaar schuldhaft in eine nicht beherrschbare Gefahrensituation gebracht, indem die Transferfahrt trotz der erkennbaren schlechten Witterungsverhältnisse durchgeführt wurde. Der dadurch entstandene Mangel der Reise war nach Ansicht der Richter so erheblich, dass der Erholungswert der gesamten Reise hinfällig war. Die Höhe des Schmerzensgeldes der Frau des Klägers wurde auf 5500 Euro festgesetzt, da diese infolge des traumatischen Erlebnisses psychische Schäden erlitt.
Eine Fluglinie muss ihre Fluggäste mindestens zwei Wochen vor Abflug über Änderungen der planmäßigen Abflugzeit unterrichten. Eine Information von der Airline an den Reiseveranstalter und eine allgemeine Information auf der Website der Fluglinie reichen nicht aus.
Airline muss rechtzeitig über geänderte Abflugzeit unterrichten
Der Kläger hatte für sich und seine Familie eine Pauschalreise nach Rhodos gebucht. Der Hinflug sollte am 3.8.2018 um 5:00 Uhr von Nürnberg nach Rhodos gehen. Die beklagte Airline verlegte am 25.5.2018 den Flug des Klägers auf den 3.8.2018 um 18:05 Uhr und informierte am gleichen Tag den Reiseveranstalter über diese Änderung. Den Kläger unterrichtete die Airline erst mit E-Mail vom 21.7.2018 über die geänderten Flugzeiten. Schon am 19.7.2018 hatte der Kläger versucht, über die Homepage der Fluglinie Sitzplätze zu reservieren, dabei hatte er auf der Homepage der Airline die geänderten Flugzeiten bemerkt.
Der Kläger verlangte von der Fluglinie eine Ausgleichszahlung für sich und seine Familie.
Information über geänderte Flugzeiten auf der Homepage der Airline nicht ausreichend
Das Amtsgericht Nürnberg hat dem Kläger und seiner Familie insgesamt 1.600 Euro Ausgleichszahlungen zugesprochen, weil die Airline den Kläger nicht rechtzeitig über die Annullierung der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet hat. Die Information an den Reiseveranstalter über die Änderung der Flugzeiten reicht nach Ansicht der Richter nicht aus. Weder Reisevermittler noch Reiseveranstalter können eine solche Unterrichtung für den Fluggast wirksam entgegennehmen, so die Richter.
Dass die Airline auf ihrer Homepage schon die geänderten Abflugzeiten eingestellt hatte, als der Kläger versuchte, dort eine Sitzplatzreservierung vorzunehmen, ändert nach Ansicht der Richter nichts. Der Anspruch auf Ausgleichszahlung fällt nach der Fluggastrechteverordnung nur weg, wenn die Fluglinie den Fluggast rechtzeitig, zweck- und zielgerichtet über die Änderungen unterrichtet hat. Es reicht nicht, dass der Fluggast z.B. bei der Sitzplatzreservierung mehr oder weniger zufällig Kenntnis von der Änderung der Flugzeiten bekommt. Die Fluglinie muss den Passagier vielmehr bewusst und zweckgerichtet über die Änderungen informieren.
AG Nürnberg, Urteil vom 6.2.2019, Az.: 19 C 7200/18
5. Gebrauchtwagenkauf: Zusage „Auto fahrbereit“ ist keine Haltbarkeitsgarantie
Der Hinweis „fahrbereit“ in einer Annonce bezieht sich vor allem auf den verkehrssicheren Zustand des Autos. Der Verkäufer übernimmt mit dieser Aussage aber keine Garantie dafür, dass das Fahrzeug noch längere Zeit oder für eine längere Strecke fahrbereit bleibt. Wenn das Auto nach dem Kauf noch 50 bis 100 Kilometer problemlos fährt, hat der Verkäufer die Beschaffenheit „fahrbereit“ erfüllt.
Gebrauchtwagenkauf: Zusage „Auto fahrbereit“ ist keine Haltbarkeitsgarantie
Der Hinweis „fahrbereit“ in einer Annonce bezieht sich vor allem auf den verkehrssicheren Zustand des Autos. Der Verkäufer übernimmt mit dieser Aussage aber keine Garantie dafür, dass das Fahrzeug noch längere Zeit oder für eine längere Strecke fahrbereit bleibt. Wenn das Auto nach dem Kauf noch 50 bis 100 Kilometer problemlos fährt, hat der Verkäufer die Beschaffenheit „fahrbereit“ erfüllt. Das hat das Oberlandesgericht München entschieden.
20 Jahre altes Auto nach knapp 100 Kilometern defekt
Im Herbst 2015 inserierte ein Verkäufer sein gebrauchtes Auto, Baujahr 1996, auf Ebay. In der Anzeige bezeichnete er das Auto als „fahrbereit“. Außerdem stand in dem Inserat die Information: „Verkauf aufgrund des Baujahres 1996 (20 Jahre alt) als Bastlerfahrzeug ohne Gewährleistung. Fahrzeug sollte unbedingt besichtigt werden, um spätere Unstimmigkeiten auszuschließen“. Der Käufer machte eine Probefahrt und kauft das Auto mit einem mündlichen Kaufvertrag für 10.500 Euro.
Auf dem Heimweg traten bereits nach 50 bis 100 Kilometern Probleme an dem Auto auf. Das Auto nahm kein Gas mehr an, am Wohnort des Käufers ließ sich das Auto gar nicht mehr starten. Die Kosten für die Reparatur des Autos wurden vom Käufer mit 5.720,35 Euro angegeben. Ein Sachverständiger stellte später fest, dass das Steuergerät des Fahrzeugs korrodiert und die Batterie defekt war. Der Käufer klagte auf Erstattung der Reparaturkosten.
In der ersten Instanz wiesen die Richter die Klage ab, der Käufer legte Berufung ein.
„Fahrbereit“ heißt nicht „auf Dauer fahrfähig“
Das OLG München bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz. Das Gericht ging davon aus, dass in dem Vertrag ein wirksamer Gewährleistungsausschluss vereinbart war. Dafür sprach auch der Text der Ebay-Anzeige. Die Richter sahen kein arglistiges Verschweigen eines Mangels durch den Verkäufer und auch kein Garantieversprechen, das der Verkäufer gegeben hätte.
Der Hinweis „fahrbereit“ in Gebrauchtfahrzeug-Annoncen bezieht sich vor allem auf den verkehrssicheren Zustand des Autos. Das Auto darf also keine verkehrsgefährdeten Mängeln haben. Außerdem muss der Betrieb des Autos in seinen wesentlichen technischen Funktionen möglich sein, so die Richter.
Der Verkäufer gibt aber mit der Beschaffenheitsvereinbarung „fahrbereit“ keine Haltbarkeitsgarantie. Er haftet nicht für eine längerfristige Fahrbereitschaft des Autos. Wie lange und für welche Strecke das Auto nach der Übergabe fahrbereit bleibt, ist weitgehend das Risiko des Käufers. Nach Ansicht der Richter reicht eine (zunächst problemlose) Fahrt von 50 bis 100 Kilometern aus, um die Beschaffenheit „fahrbereit“ zu erfüllen. Der Käufer bekam die Reparaturkosten nicht ersetzt.
OLG München, Urteil vom 12.6.2019, Az.: 7 U 1630/18
Hinweis: Die Entscheidung des OLG München steht Übereinstimmung mit einem Urteil des BGH (Urteil vom 22.11.2006, Az.: VIII ZR 72/06).
6. Section Control: Rechtsstreit um neues Messverfahren entschieden
Während in anderen Ländern bereits seit Jahren Section Control zur Tempoüberwachung im Einsatz ist, ist es in Deutschland rechtlich umstritten. Das Pilotprojekt auf der B6 wurde daher gerichtlich überprüft und jetzt vom OVG Lüneburg für zulässig erachtet.
Was ist Section Control eigentlich?
Section Control ist ein in Deutschland neues Verfahren zur Geschwindigkeitskontrolle. Dabei wird nicht das Tempo eines Fahrzeugs an einer bestimmten Stelle erfasst, sondern dessen Durchschnittsgeschwindigkeit zwischen zwei Messpunkten. Hierfür werden die Ein- und Ausfahrtzeitpunkte aller Fahrzeuge in dem Messabschnitt vollautomatisch registriert. Die Kennzeichen der einfahrenden Fahrzeuge werden laufend mit den Kennzeichen der ausfahrenden Wagen verglichen. Stimmen diese überein, so wird die Fahrtzeit ermittelt und die Durchschnittsgeschwindigkeit berechnet.
Anforderungen des Datenschutzes
Die automatische Erfassung aller Kfz-Kennzeichen (personenbezogene Daten) durch optische Zeichenerkennung (ANPR) betrifft die informationelle Selbstbestimmung der Autofahrer. Ohne entsprechenden Anfangsverdacht wäre dieser Grundrechtseingriff nicht zu rechtfertigen.
Um den Datenschutzanforderungen zu genügen, wird die Zeichenfolge mit einer kryptologischen Hashfunktion verschlüsselt, so dass kein Rückschluss auf das Kennzeichen beim Auslesen des Datensatzes möglich ist. Anschließend werden nur mehr die berechneten Hashwerte am Ein- und Ausfahrtquerschnitt verglichen. Die Bilder vom Ein- und Ausfahrtquerschnitt werden anonymisiert, verschlüsselt und nach kurzer Zeit wieder gelöscht, sofern kein Geschwindigkeitsverstoß vorliegt. Somit sind während der Messung keine Rückschlüsse auf das Fahrzeug oder personenbezogene Daten möglich.
Um im Fall eines festgestellten Verstoßes den Fahrer für den Bußgeldbescheid ermitteln zu können, wird das Fahrzeug vergleichbar zu bisherigen Radarkontrollen, am Ende des kontrollierten Streckenabschnitts zusätzlich noch von vorne fotografiert.
Geänderte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat seine bisherige Rechtsauffassung geändert und entschieden, dass die ausnahmslose Erfassung aller Kennzeichen zu Kontrollzwecken stets eine Datenerhebung und damit einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung darstellt (Az. 1 BvR 2795/09 u.a.). Bereits das Scannen sei freiheitsbeeinträchtigend. „Zur Freiheitlichkeit des Gemeinwesens gehört es, dass sich die Bürgerinnen und Bürger grundsätzlich fortbewegen können, ohne dabei beliebig staatlich registriert zu werden“, heißt es in einem der Beschlüsse des BVerfG. Aufgrund der Schwere des Eingriffs sei dieser nur erlaubt, wenn eine ausdrückliche gesetzliche Regelung gegeben sei.
Verkehrsüberwachung mittels „Section Control“ auf B 6 wieder erlaubt
Das OVG Lüneburg (Az. 12 LC 79/19) hat entschieden, dass der Streckenradar auf der B6 rechtmäßig ist. Die Anlage geht damit wieder in Betrieb.
Im Vorfeld hatte das Verwaltungsgericht Hannover noch einer Klage stattgegeben, in der der Kläger in der Datenspeicherung einen Eingriff in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung sah. Der Streckenradar wurde daraufhin vorläufig ausgeschaltet. Diesem Urteil folgte noch im Mai diesen Jahres das OVG Lüneburg. Doch bereits im Juli kam das OVG – jetzt allerdings auf Grund des zwischenzeitlich geänderten und in Kraft getretenen Niedersächsischen Polizeigesetzes – zu einem anderen Ergebnis und hob das Verbot vorläufig auf. Das neue Polizeigesetz hatte nach Ansicht des Gerichts die bislang fehlende Eingriffsermächtigung für den Streckenradar geschaffen.
7. Tempo 200: Bedienen des Infotainmentpakets kann teuer werden
Fährt ein Autofahrer mit 200 km/h auf der Autobahn und bedient das Navigationssystem, so ist ein dadurch entstandener Unfall grob fahrlässig und die Kaskoversicherung kann die Zahlung zumindest teilweise verweigern.
Volle Konzentration bei 200 km/h
Ein Mietwagen fuhr auf der Autobahn mit Tempo 200. Das hochmotorisierte Auto sollte von Erlangen nach Berlin überführt werden. Der Fahrer bediente trotz der hohen Geschwindigkeit das eingebaute Infotainmentpaket, um weitere Informationen über die Strecke abzurufen. Dazu musste er in dem ihm unbekannten Mietwagen an einem in der Mittelkonsole angebrachten Drehregler auf dem Bildschirm eine Leiste ansteuern, bei der sich verschiedene Register öffnen, über die wiederum weitere Unterpunkte angewählt werden konnten. Während er mit der rechten Hand das System bedient habe, hat er mit der linken das Lenkrad gehalten.
Während dieser Zeit achtete er nicht auf die Straße, kam von der Fahrbahn ab und touchierte die Leitplanke. Der Vermieter rechnete den Schaden mit der Kaskoversicherer ab. Diese wollte den Schaden später von dem Fahrer zurückfordern.
Mehrere Sekunden andauernde Ablenkung bei Tempo 200 ist grob fahrlässig
Das OLG Nürnberg gab der Versicherung in Höhe von 50% recht. Eigentlich war in dem Vertrag zwar vereinbart, dass eine komplette Schadenübernahe erfolgt, die Versicherung hatte sich aber das Recht vorbehalten, Ersatz zu fordern, wenn grobe Fahrlässigkeit vorliegt.
Der Fahrer hatte eingeräumt, zur Bedienung des Navis die rechte Hand vom Steuer genommen zu haben. Um das System bedienen zu können musste er, nach Meinung des Gerichts, den Blick nicht nur ganz kurz von der Straße nehmen. Das sei bei Tempo 200 grob fahrlässig. Selbst bei einer Ablenkung von 3 Sekunden würde ein Weg von über 165 Meter zurückgelegt.
Spurhalteassistent entlastet den Fahrer nicht
Dass das Fahrzeug mit einem Assistenzsystem („Spurhalteassistent“) ausgestattet war, entlastet den Fahrer auch nicht.
Das Gericht stellt fest, dass bei derart hohen Geschwindigkeiten die Gefahren und die Notwendigkeit sofortiger Reaktion bereits so erheblich gesteigert sind, dass in dieser Situation hinsichtlich der Anforderungen an die Aufmerksamkeit des Fahrers keine Abstriche mehr gemacht werden können.
Mietwagen war dem Fahrer nicht vertraut
Da der Fahrer mit dem zu überführenden Fahrzeug nicht vertraut war, konnte er sich nach Ansicht der Richter, erst recht nicht darauf verlassen, dass das Assistenzsystem des Fahrzeugs einen Unfall vermeiden helfen würde, zumal bei einer Geschwindigkeit von 200 km/h die Reaktionszeit denkbar kurz gewesen war.
Durch die Ablenkung ist der Fahrer zu weit nach links und in die Leitplanke gefahren. Die Versicherung war daher berechtigt, die den geltend gemachten Regress in Höhe von 50 % des Schadens zu verlangen.
OLG Nürnberg, Urteil vom 2.5.2019, Az.: 13 U 1296/17
,,Blitzerfotos‘‘ werden zum Beweis der Geschwindigkeitsüberschreitung genutzt. Doch was, wenn der Fahrer eine Basecap trägt und daher Teile seines Gesichts verdeckt sind? Das Kammergericht (KG) Berlin hatte darüber zu entscheiden.