Hohe Mithaftung bei „Erschrecken“ des Vorfahrtsberechtigten

Das Landgericht Aachen (Aktenzeichen: 3 S 162/15) hat am 10.05.2016 ein für einen verunfallten Rollerfahrer sehr erfreuliches Urteil erlassen. Das Gericht hat rechtskräftig festgestellt, dass ein Autofahrer zu 75% haftet, wenn er an der Haltelinie eines Stoppschildes anfährt und diese Aktion beim bevorrechtigten Motorrollerfahrer einen Sturz auslöst.

Konkret stellte das Gericht fest:

Hält ein Wartepflichtiger Pkw an der Haltelinie eines Stoppschildes, lässt er mehrere Fahrzeuge passieren und fährt dann an, was einen bevorrechtigten Motorrollerfahrer zu einem Ausweichmanöver veranlasst, das zu einem Sturz führt, haftet der Wartepflichtige zu 75%, unabhängig davon, ob er an der Sichtlinie nochmals anhalten wollte.

Aus den Urteilsgründen:

Vorliegend hat die beklagte Autofahrerin ihre Rücksichtnahmepflicht verletzt, indem sie angefahren ist, obwohl sich der Kläger auf der bevorrechtigten Straße der Kreuzung näherte. Der Umstand, dass die Beklagte noch an der Sichtlinie und kurz vor dem Einbiegen zum Stehen gekommen ist, steht vorliegend dem Verstoß gegen die Rücksichtnahmepflicht nicht entgegen, denn durch das Anfahren hat die Beklagte bereits unmittelbar Einfluss auf das Verhalten des Klägers genommen, der mit einem weiteren Einfahren der Beklagten rechnen musste. Dass die Autofahrerin noch rechtzeitig stoppen werde, war für den Rollerfahrer gerade nicht erkennbar.

(Landgericht Aachen, 3 S 162/15)

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